Rettungsdienstgesetz Baden-Württemberg (RDG BW)

Aufgabe des Rettungsdienstes in „The Länd“ – wie sich Baden-Württemberg derzeit selbst bezeichnet – ist die Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen der Notfallrettung und des Krankentransportes zu sozial tragbaren Benutzungsentgelten.

Feuerwehr

Katastrophenschutz

Datenschutz, Informationsfreiheit, Sicherheit

Struktur und Privilegierung der Hilfsorganisationen

Das Rettungsdienstgesetz Baden-Württemberg (RDG BW) nennt die teilnehmenden Rettungsdienstorganisationen abschließend. Namentlich sind dies

  • Arbeiter-Samariter-Bund
  • Deutsches Rotes Kreuz und seine Bergwacht Württemberg
  • Johanniter-Unfall-Hilfe
  • Malteser-Hilfsdienst
  • DRF Luftrettung
  • Bergwacht Schwarzwald
  • Deutsche Lebensrettungsgesellschaft

Die  nehmen den Rettungsdienst als gesetzliche Leistungsträger eigenständig und eigenverantwortlich wahr.

Das Innenministerium hat Verträge über die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen Einrichtungen des Rettungsdienstes geschlossen. Bei Bedarf kann auch mit anderen Stellen als Leistungsträger ein Vertrag geschlossen werden.

Privileg der Rettungsdienstorganisationen in Baden-Württemberg

Das Privileg der Hilfsorganisationen bestünde, um das Engagement dieser freien Verbände „zu ermutigen und zu stärken“ (so PdK Baden-Württemberg Rettungsdienstgesetz Baden-Württemberg BWRDG § 2 Trägerschaft und Durchführung des Rettungsdienstes 2. Vorrang der Sanitätsorganisationen, beck-online). Verfassungsrechtlich ist das Hilfsorganisationenprivileg nicht unumstritten. Vergleiche hierzu auch die Rechtsauffassungen im Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (BayVerfGH) vom 24.05.2012, Az. Vf. 1-VII-10 (Bayern). 

Bereichsausnahme in Baden-Württemberg

Bodengebundener Rettungsdienst

Das Gesetz selbst nimmt keinen direkten Bezug auf das Vergaberecht. Der Rettungsdienst ist lediglich den genannten Rettungsdienstorganisationen überlassen. Ob diese im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 21.03.2019 – C – 465 / 17) und diesem folgend des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 30.03.2020 – 1 BvR 843/18) gemeinnützig sind, bleibt den Fachgerichten überlassen. Das Gesetz sieht die Gemeinnützigkeit nicht explizit vor.

Gemeinnützig sind zudem nur die „Organisationen oder Vereinigungen, deren Ziel in der Erfüllung sozialer Aufgaben besteht, die nicht erwerbswirtschaftlich tätig sind und die etwaige Gewinne reinvestieren, um das Ziel der Organisation oder Vereinigung zu erreichen“ (EuGH aaO). Pauschal lässt sich dies nicht beurteilen. Zutreffend könnte zwar ein Verweis auf die Vorgaben der Abgabenordnung (AO) sein; im Einzelfall muss dies aber gegebenenfalls auch bei den durchführenden Tochtergesellschaften gegeben sein.

Insoweit bleibt der Anwendungsbereich der Bereichsausnahme und damit auch die Vereinbarkeit mit dem Europarecht umstritten.

Bestandsschutz

Alt-Genehmigungsinhaber genießen Bestandsschutz nach Art. 2 Satz 1 RDG-ÄndG. Dieser soll allerdings nur eintreten, wenn der private Unternehmer über den Besitz einer Genehmigung für Notfallrettung hinaus diesen Betrieb am Tag der Verkündung des RDG-ÄndG am 31.07.1998 bereits tatsächlich ausgeübt hat. Vergleiche Verwaltungsgerichtshof VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. April 2004 – 6 S 17/04 –, Rn. 22, mit Verweis auf VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.10.2002 – 4 S 220/02.

Ob der Verweis auf die tatsächliche Ausübung der Bestandsgenehmigung verfassungsrechtlich Bestand haben kann, ist nicht unumstritten.

Luftrettung

Der Bereich der Luftrettung wird durch Dienstleistungskonzession vergeben. Zur Anwendbarkeit des Vergaberechts vergleiche die Entscheidung der Vergabekammer Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.03.2018, 1 VK 56 / 17.

Entgelt im Rettungsdienst

Klagen auf Entgeltzahlung eines Rettungsdiensteinsatzes sind nach Auffassung des Amtsgerichts Kehl, Beschluss vom 7. Juni 2011 – 5 C 199/11 – öffentlich-rechtliche Streitigkeiten. Es verweist daher unter Berufung auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 2009, III ZB 47/09 auf den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten. 

Auch soweit die Rettungsleitstellen für die Vermittlung von Einsätzen ein Leitstellenentgelt nach § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG erheben, dürfte dieses öffentlich-rechtlicher Natur sein. Die Geltendmachung erfolgt dies nicht über Leistungsbescheid, sondern gegebenenfalls durch allgemeine Leistungsklage vor dem Verwaltungsgericht. Vergleiche Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 29. September 2009 – 6 S 131/08.

Haftungsfragen

In Baden-Württemberg handelt die Rettungsleitstelle bei der Lenkung der Einsätze des Rettungsdienstes öffentlich-rechtlich, vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2007 – KZR 48/05. Im Übrigen haben die Leistungsträger den Rettungsdienst nach Auffassung des OLG Stuttgart, Beschluss vom 2. Februar 2004 – 1 W 47/03, nichtstaatlich, privatrechtlich organisiert. Eine Amtshaftung komme dann nur in Betracht, soweit die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen Einrichtungen des Rettungsdienstes nicht sichergestellt ist und die Land- und Stadtkreise die Versorgung als Pflichtaufgabe übernehmen. 

Hilfsfrist in Baden-Württemberg

Sie soll nicht mehr als 10, höchstens 15 Minuten ab Eingang des Notrufs bis zum Eintreffen eines geeigneten Rettungsmittels an einem an einer Straße gelegenen Notfallort betragen. Dabei soll sie in 95 % aller Fälle eingehalten werden, § 3 Abs. 2 Satz 4, 5 RDG BW.

Das fehlende Erreichen der Hilfsfristen in Baden-Württemberg veranlasste den Südwestdeutschen Rundfunk (SWR) zu einem Recherche-Projekt „Hilfe im Notfall“.

Notarzt

Notärzte waren regelmäßig aufgrund Beschäftigung versicherungspflichtig, so das Bundessozialgericht BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 10/20 R (vorhergehend Urteil des Landessozialgerichts LSG Baden-Württemberg vom 20. Juli 2020, L 4 BA 3646/18). Notärzte sind in ihrer Tätigkeit Teil eines Systems ineinandergreifender rechtlicher und organisatorischer Regelungen einer Rettungskette sowie in die Organisations- und Weisungsstruktur des Rettungsdienstträgers eingegliedert. Kläger war ein DRK-Kreisverband in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins.

Notärzte, die an der Versorgung im Luftrettungsdienst teilnehmen, konnten nach Auffassung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Oktober 2020 – L 4 BA 732/19, ebenfalls eine abhängige Beschäftigung ausüben. Das galt jedenfalls dann, „wenn sie im Rahmen dessen in einem Dienstplan eingeteilt sind und mit dem Hubschrauberpersonal (Pilot und Rettungsassistent) arbeitsteilig zusammenwirken“.

Ob und inwieweit Notärzte als sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter gilt, ist im Einzelfall zu klären.

Notfallsanitäter

Ab 01.01.2021, im Einzelfall spätestens ab 01.01.2026, § 9 Abs. 3 RDG. Der Einzelfall dürfte sich im Wesentlichen auf den einzelnen Notfall beschränken, eine dauerhafte Besetzung mit Rettungsassistenten sieht diese Ausnahme nicht vor.

Leitstellen

Aufgrund der Doppelfunktion der Leitstelle finden sich Regelungen im Feuerwehrgesetz (FwG) und im Rettungsdienstgesetz (RDG).

Die Landkreise haben nach § 4 Abs. 1 FwG Leitstellen zu schaffen und zu betreiben. Leitstellen sind für die Feuerwehr und für den Rettungsdienst als Integrierte Leitstellen in gemeinsamer Trägerschaft zu betreiben. Die Landkreise können mit Gemeinden, Verwaltungsgemeinschaften, anderen Landkreisen oder dem Träger einer Rettungsleitstelle vereinbaren, dass diese die Aufgaben für den Landkreis erledigen. Mehrere Landkreise und Stadtkreise können gemeinsam eine Leitstelle (Bereichsübergreifende Integrierte Leitstellen) betreiben. In einer Vereinbarung sind die Trägerschaft, die Kostenaufteilung und der Leistungsumfang festzulegen.

Die Träger der Leitstellen stellen sicher, dass unter der einheitlichen europäischen Notrufnummer 112 eingehende Notrufe entgegengenommen und bearbeitet werden können. Die unverzügliche Weiterleitung an die zuständige Leitstelle der Feuerwehr, des Rettungsdienstes oder der Polizei ist zu gewährleisten.

Weitere Regelungen betreffend Leitstellen enthält § 6 RDG.

Die Integrierte Leitstelle lenkt alle Einsätze des Rettungsdienstes im Rettungsdienstbereich. Es gilt grundsätzlich ein Gleichbehandlungsgrundsatz: Der Träger der Integrierten Leitstelle stellt sicher, dass dabei in der Notfallrettung alle Leistungsträger untereinander und alle privaten Rettungsdienstunternehmer sowie im Krankentransport alle Leistungsträger untereinander und alle privaten Rettungsdienstunternehmer mit einer Genehmigung gleichbehandelt werden.

Die Integrierte Leitstelle muss ständig betriebsbereit und mit geeignetem Personal ausgestattet sein. Sie arbeitet mit den Krankenhäusern, den für den ärztlichen Notfalldienst zuständigen Stellen, der Polizei, der Feuerwehr sowie sonstigen in der Notfallrettung und im Krankentransport Tätigen zusammen und wirkt im Katastrophenschutz mit. Leitstellen sind für den Rettungsdienst und die Feuerwehr im integrierten Betrieb (Integrierte Leitstellen) in gemeinsamer Trägerschaft einzurichten, wobei die gemeinsame Trägerschaft in einer Vereinbarung festzulegen ist, in der insbesondere die Kostenaufteilung geregelt wird.

Die Träger der Integrierten Leitstellen stellen sicher, dass unter der einheitlichen europäischen Notrufnummer 112 eingehende Notrufe und Notruffaxe entgegengenommen und bearbeitet werden können. Die unverzügliche Weiterleitung an die zuständige Leitstelle der Feuerwehr, des Rettungsdienstes oder der Polizei ist zu gewährleisten.

Notrufnummer

Die Leistungsträger im Rettungsdienst stellen durch Beschriftung der Rettungsmittel sowie auf andere geeignete Weise sicher, dass die Bevölkerung angemessen über Bestehen und Nutzung der einheitlichen europäischen Notrufnummer 112 informiert wird, § 6 Abs. 1 RDG.

Cybersicherheit, Datenschutz

Das Rettungsdienstgesetz enthält in § 32 RDG, § 5a KatSG und § 35 FwG Ermächtigungen zur Datenverarbeitung. § 31 RDG beschränkt sich auf die Vorgabe, Notfallrettung und Krankentransport so zu betreiben, dass der Schutz personenbezogener Daten gewahrt wird.

Die gesetzlichen Vorgaben enthalten keine weiteren, besonderen Regelungen zur Cybersicherheit, einschließlich des Betriebs und des Schutzes der Daten-, Informations- und Kommunikationstechnologien.

Staufer Kirsch
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Ansprechpartner für Rettungsdienstrecht

Dr. Andreas Staufer ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für IT-Recht und Fachanwalt für Medizinrecht. Seit über 25 Jahren ist er im Münchener Rettungsdienst aktiv. Dr. Staufer beschäftigt sich aktiv mit dem Rettungsdienstrecht. Kristin Kirsch, LL.M. Legal Tech ist Rechtsanwältin und Fachanwältin im IT-Recht. Ihr Schwerpunkt ist das Recht Neuer Technologien. Zusammen sind sie Staufer Kirsch.

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