Recht im Rettungsdienst

Die präklinische Akutversorgung hat eine nicht unerhebliche Bedeutung im Gesundheitswesen. Ärztlicher Bereitschaftsdienst und Rettungsdienst stellen nicht nur die notfallmedizinische Versorgung sicher. Sie besitzen eine Verteilerfunktion in die ambulante und stationäre Versorgung. Aufgaben und medizinische Anforderungen werden immer spezieller. Der Rettungsdienst verabschiedet sich zunehmend von seiner historischen Vergangenheit. Rettungsdienstträger und Organisationen müssen ihre Strukturen daher den geänderten Anforderungen anpassen. Hilfsorganisationen, gemeinnützige wie private Unternehmen kämpfen um Marktanteile. Die Durchführenden positionieren sich neu. Planung und Organisation präklinischer Versorgungsstrukturen und deren Vernetzung werfen neue rechtliche und ökonomische Fragen auf. Dies betrifft nicht nur innovative Modellprojekte einschließlich telemedizinischer Vorhaben, sondern auch die Einbindung in traditionelle Bereiche wie den Katastrophenschutz.

Das Rettungsdienstrecht stellt hierbei einen Querschnittbereich zahlreicher mit dem Rettungsdienst zusammenhängender Rechtsgebiete dar. Eine weitergehende Besonderheit dieses speziellen Rechtsgebiets sind Verästelungen des Rechtsgebiets zwischen Landesrecht, Bundesrecht und Europarecht.

Das Rettungsdienstrecht ist dem nichtpolizeilichen Gefahrenabwehrrecht zuzuordnen. Es gehört damit in Teilen dem besonderen Verwaltungsrecht an. Zuweilen wird es auch als Hilfeleistungsrecht bezeichnet, so beispielsweise in Bremen das Bremer Hilfeleistungsgesetz. Es umfasst vergleichbar dem Katastrophenschutz- und Feuerwehrrecht gleichfalls die Abwehr von Gefahren für Leib und Leben von Menschen und damit das Recht der öffentlichen Sicherheit. Es beschränkt sich – soweit es um die Beförderung geht – aber nicht auf diese.

Unterschieden wird zwischen dem Rettungsdienstrecht im engeren und im weiteren Sinn.

Gemeint sind damit organisatorische Strukturen des Rettungsdienstes einschließlich dem öffentlichen und privaten Rettungsdienst bzw. Krankentransport und Notfallrettung außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes. Dieser wird nicht immer zutreffend als „privater Rettungsdienst“ bezeichnet. Organisatorische Strukturen des Rettunsdienstes sind Aufgaben der Länder. Ferner zählen hierzu auch die Aufgaben des Rettunsdienstes. Insoweit wird zwischen dem organisatorischen und funktionellen Rettungsdienst unterschieden). Auswahl, Genehmigung und Vergabe unterfallen beispielsweise dem Rettungsdienstrecht im engeren Sinn.

Im weiteren Sinn wird das Rettungsdienstrecht heute als Begriff verwendet, wenn ein Rechtsgebiet einen Bezug zum Rettungsdienst aufweist. Dies betrifft neben Verkehr und Straßenverkehrszulassung (einschließlich Blaulicht und Martinshorn) die zivil- und strafrechtliche Haftung, aber auch Fragen der Ausbildung des Rettungsdienstpersonals, des Arzneimittel- oder Betäubungsmittelrechts oder des Medizinprodukterechts. Auch Marken-, Urheber- und Fotorechte können den Rettungsdienst betreffen. Im Rahmen der Telemedizin (Telenotarzt) werden auch Fragen des IT- und Datenschutzrechts virulent. Der BOS-Funkt (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben) tangiert das Telekommunikationsrecht.

Genehmigung und Vergabe

Die Beteiligung am Rettungsdienst ist – soweit der Rettungsdienstträger den Rettungsdienst nicht selbst sicherstellt – durch Beauftragung oder Genehmigung möglich. Welche Beteiligungsmöglichkeiten bestehen, bestimmt der Landesgesetzgeber unter Beachtung verfassungs-  und europarechtlicher Vorgaben. 

Genehmigung im Rettungsdienst

Bei Genehmigungsverfahren spielt die Auslegung der jeweiligen Landesrettungsdienstgesetze eine große Rolle. Bewertungsmethoden haben Einfluss auf die Bedarfsplanung, Bedarfsprüfung und die Verträglichkeitsprüfung. Die unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben stellen die Unternehmer vor große Herausforderungen bei der nationalen wie internationalen Patientenbeförderung.

Auswahlverfahren und Vergaberecht

Vergaberechtliche Entscheidungen im Rettungsdienst finden selbst in anderen Fachgebieten Beachtung. Neben den klassischen Rechtsbereichen sehen sich Rechtsanwälte bei der Begleitung von rettungsdienstlichen Auswahl- und Genehmigungsverfahren mit dem Vergaberecht und dem Verwaltungsrecht konfrontiert. Sowohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) als auch die Verfassungsgerichte beschäftigen sich immer wieder mit Fällen aus dem Rettungsdienst, sei es im Rahmen der Anwendung und Ausgestaltung des Vergaberechts oder der Kommunalisierung des Rettungsdienstes.

Berufliche Qualifikation

Die Ausbildung der Notfallsanitäter nach dem Notfallsanitätergesetz (NotSanG) und die Ausbildung der bisherigen Rettungsassistenten nach dem Rettungsassistentengesetz (RettSanG) beruhen auf bundesrechtlichen Vorgaben. Die Weiterbildung der Notärzte und Ausbildung der Rettungssanitäter fällt demgegenüber in den Kompetenzbereich der Länder.

Gleich drei Rechtsgebiete – namentlich das Arbeitsrecht, Haftungsrecht und Strafrecht – beschäftigen sich in regelmäßigen Abständen mit den Möglichkeiten der Delegation ärztlicher Leistungen auf das Rettungsdienstpersonal und deren eigener Kompetenz.

Die Länder stellen zudem besondere Qualifikationsanforderungen an Geschäftsführer und Funktionsträger. Fehlt diese, kann die durchführende Organisation ihre Berechtigung zur Leistungserbringung verlieren.

Telekommunikationsrecht, Datenschutzrecht

Im Zusammenhang mit der Beratung rund um Rettungsleitstellen treten telekommunikationsrechtliche und datenschutzrechtliche Fragen auf. Beispiele finden sich bei der Kommunikation der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS). Aktuell häufen sich Fragen im Rahmen der telemedizinischen Versorgung.

Daneben begleiten wir IT-Projekte. Beispiele sind die vertragliche und datenschutzrechtliche Ausgestaltung bei der Einführung von Software für Einsatzleitstellensysteme, zur Patienten- oder auch Flüchtlingserfassung sowie der organisationsübergreifenden Datenübermittlung – Einsatzdaten,  Fahrzeugortung und -lenkung oder der Austausch von Patientendaten.

Vergütung im Rettungsdienst

Die Abrechnung von Krankenfahrt, Krankentransport und Notfalltransport nach den §§ 60, 133 Sozialgesetzbuch 5 (SGB V) beschäftigt immer wieder die Sozialgerichte. Zu entscheiden sind aber auch Fragen der Vergütung der Notärzte beispielsweise nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), ebenso wie die Erhebung von Rettungsdienstgebühren im Verwaltungsrecht. Die Ausgestaltung ist auch hier meist durch ihre landesrechtlichen Nuancen geprägt.

Straßenverkehr und Personenbeförderung

Klassiker des Rettungsdienstrechts sind Rechtsfragen zur Ausnahmegenehmigung von Sonderausstattungen: Zulassungsrechtliche Fragen zur Ausstattung mit blauen Kennleuchten (Blaulicht) und Sondersignalanlage nach der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO). Ebenso gefragt: die Ladungssicherung nach § 22 StVO oder Fragen zum Personenbeförderungsrecht.

Im luftgebundenen Patiententransport sind neben den Landesrettungsdienstgesetzen auch die rechtlichen Voraussetzungen des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) und nachrangiger Bestimmungen zu beachten.

Besondere Rechtsfragen

Hilfsfrist Rettungsdienst

Die Hilfsfrist ist ein Planungsmerkmal für die Einsätze von Feuerwehr und Rettungsdienst. Sie bestimmt, in welcher Zeit ab dem Eingang eines Notrufs in der Leitstelle ein Rettungsmittel bei einem Notfalleinsatz im Rettunsdienstbereich planerisch am Einsatzort sein soll. Definiert wird die Hilfsfrist mitunter in der DIN DIN 13050:2021-10 (Begriffe im Rettungswesen). Die Zeit soll einen notfallmedizinischen Nutzen aufweisen.

Die Bundesländer geben unterschiedliche Hilfsfristen vor, eine allgemein gültige Hilfsfrist im Rettungsdienst in Deutschland gibt es nicht. Schwierigkeiten ergeben sich aus den unterschiedlichen Bemessungspunkten und Parametern.

Unterschieden wird dabei – in Anlehnung an die Hilfsfrist der Feuerwehr in der DIN 14011:2018-01 – der Meldezeit, Dispositionszeit, Alarmierungszeit, Ausrückezeit und Anfahrtszeit. Aber auch der Einsatzort wird unterschiedlich definiert; unterschieden wird mitunter der an der Straße gelegene Notfallort, ein öffentlich zugänglicher Bereich oder auch das tatsächliche Eintreffen beim Patienten.

Selbst wenn die Bundesländer eine vergleichbare Anzahl an Minuten für die Erreichbarkeit des Einsatzortes angeben, liegt die Krux im Detail. Eine Vergleichbarkeit der Hilfsfristen der Länder ist nur dann möglich, wenn auch Einsatzbeginn und Eintreffort gleich definiert werden. Es muss also vergleichbar sein, ab welchem Zeitpunkt die Hilfsfrist beginnt (Notrufeingang, Disposition oder Ausrücken) und wann sie ender (Ab dem Eintreffen an der Straße, am Hauseingang oder beim Patienten). Zwischen dem Eintreffen des Rettungsmittels an der Hausnummer und dem Eintreffen beim Patienten können mitunter mehrere Minuten liegen.

Aus medizinischer und finanzieller Sicht pragmatischer wäre es, Hilfsfrist und Planung neu zu überdenken. Die Hilfe beginnt meist bereits mit dem vor Ort anwesenden Laien-Ersthelfer, der bislang weiterhin noch viel zu wenig Beachtung findet; entsprechendes gilt für qualifizierte, über Helfer-Apps alarmierbare Ersthelfer sowie First Responder. Auch eine feinere Abfrage in der Leitstelle würde es ermöglichen, zeitkritische Notfälle – und nur für die benötigt es die Notfallrettung – von weniger zeitkritischen Fällen zu differenzieren. Zu klären wäre sodann, welches Rettungsmittel primär am Einsatzort benötigt wird. Diese Maßnahmen und neuere Gestaltungsmodelle im Rettungsdienst könnten nicht nur das therapiefreie Intervall erheblich reduzieren, sondern auch die Vorhaltung an Rettungsmitteln.

Hält ein Rettungsdienstträger diese Zeiten nicht ein, kann ihm gegebenenfalls im Rahmen eines Genehmigungsantrags eine etwaige im Rettungsdienstgesetz enthaltene Funktionsschutzklausel nicht entgegengehalten werden (vgl. für NRW z.B. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.10.1999 – 13 A 5617/98). Ebenso sind Amtshaftungsansprüche aus den § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG nicht ausgeschlossen. Die Organisationspflicht besteht als drittgerichtete Amtspflicht auch gegenüber  Notfallpatienten, so bereits BGH, Urteil vom 12. November 1992 – III ZR 178/91, Rn. 19.

Transportverweigerung, Verweigerung der Behandlung

Die Transportverweigerung ist aus unterschiedlicher Sicht zu beleuchten:

  • Patient verweigert die Behandlung und/oder die Beförderung in ein Krankenhaus
  • Rettungsdienst verweigert die Beförderung

Die Literatur gibt Hinweise zur rechtlichen Situation und zum Umgang damit:

  • Staufer, Dreiste Patienten, dreiste Einweiser – wann darf ich den Transport verweigern? retten! 2018; 7(04): 242-245, DOI: 10.1055/a-0495-1582 / Thieme.
  • Häske, Sarangi, Casu, Transportverweigerung und Transportverzicht im Rettungsdienst, in: Notfall + Rettungsmedizin 2020 DOI:10.1007/s10049-020-00756-x (Springer).

 

Staufer Kirsch
Staufer KirschLegal Solutions

Ansprechpartner für Rettungsdienstrecht

Dr. Andreas Staufer ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für IT-Recht und Fachanwalt für Medizinrecht. Seit über 25 Jahren ist er im Münchener Rettungsdienst aktiv. Dr. Staufer beschäftigt sich aktiv mit dem Rettungsdienstrecht. Kristin Kirsch, LL.M. Legal Tech ist Rechtsanwältin und Fachanwältin im IT-Recht. Ihr Schwerpunkt ist das Recht Neuer Technologien. Zusammen sind sie Staufer Kirsch.

Staufer Kirsch GmbH
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